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ARCHITECTURAL DESIGN | Bachelor Thesis Project | »Uns trennt von gestern kein Abgrund, sondern die veränderte Lage«
Entwurf eines Erinnerungsortes an die Tötung Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967 in Westberlin
Die Demonstration
Am frühen Nachmittag des 2. Juni 1967 zieht sich der 26-jährige Student Benno Ohnesorg das rote Hemd an, das seine schwangere Frau ihm kurz vorher geschenkt hatte. Er nimmt einen weißen Kissenbezug, schreibt darauf „Autonomie für die Teheraner Universität“ und macht sich auf den Weg zur Deutschen Oper im damaligen Westberlin. Später, im Sterben, wird seine rechte Hand dieses Stück Stoff umklammern. Ohnesorg hatte die Absicht, gegen den Staatsbesuch von Mohammad Reza Pahlavi, dem damaligen Schah von Persien, zu demonstrieren, der sich dort mit seiner Entourage am Abend Mozarts „Zauberflöte“ anschauen wollte. Ohnesorg wurde noch während der Ausschreitungen dieser Demonstration im Hof eines Gebäudes in der naheliegenden Krummen Straße erschossen. Sein gewaltsamer Tod trug wesentlich dazu bei, dass sich die westdeutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre bundesweit ausbreitete und - bis hin zu den mörderischen Anschlägen der späteren RAF - radikalisierte. Sein Tod gilt heute - genau 50 Jahre später - als Einschnitt der deutschen Nachkriegsgeschichte mit weitreichenden gesellschaftspolitischen Folgen bis in die Gegenwart.
Der Tod
Die Vorgänge um die Erschießung Ohnesorgs sind noch immer nicht abschließend geklärt, die damalige Behandlung des Falles zeigte aber ganz deutlich ein umfassendes Versagen staatlicher Organe auf, das auf eine durchaus prekäre Verfasstheit der damals noch jungen Demokratie in der Bundesrepublik schließen lässt. Der Polizeichef, der damals die Aktionen um den Schah Besuch in Berlin geleitet hat, war vorher bei der Waffen SS. Der höhere Vorgesetzte von Karl-Heinz Kurras, der Westberliner Kripochef, war ebenfalls NSDAP-Genosse und SA-Mitglied. Kurras selbst, der Todesschütze, das kam erst Jahre später ans Licht, war geheimer Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit (Deckname: Otto Bohl). Als erwiesen kann gelten, dass er auf den unbewaffneten Ohnesorg ohne Auftrag und unbedrängt geschossen hatte. Der bekannte Verleger und damalige Linksaktivist Klaus Wagenbach sagte kürzlich in einem Interview dazu: „Ich habe das damals Mord genannt. Die Pointe ist, dass ich bis heute als Einziger in dieser Sache bestraft worden bin. Kurras ist freigesprochen worden. Aber der Kritiker des Vorgangs nicht. Man muss sich das wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Ich wurde wegen der verletzten Ehre eines, wie sich jetzt herausstellt, schießwütigen Herrn im Dienst der Stasi verurteilt.“
Der Tatort
Es gibt von diesem 2. Juni 1967 und den wenigen Minuten im Hinterhof des Hauses in der Krummen Straße 66/67 Hunderte von Versionen, in denen nur eines gleich bleibt: der Innenhof. Ein Hof, 26 Meter breit, offen zur Krummen Straße, weil der Wohnblock dort auf Pfeilern steht und 22 Meter tief: vorn die asphaltierten Parkplätze, mit dem Stelzen-Haus darüber, achteinhalb Meter. Dahinter, im Freien, ein Schotterstreifen, fünf Meter. Und dann bis zur Brandwand des Nachbargebäudes noch einmal achteinhalb Meter Rasen, mit einer Teppichklopfstange darauf. Heute deutet nur eine uverwitterte Stele auf dem Bürgersteig auf die damaligen Vorfälle hin. Der Ort ist wieder in seiner unscheinbaren Banalität angelangt.
Ziel des Projektes ist es, 1. diesen inzwischen fast vergessenen Ort durch ein performativ-räumliches Implantat wieder präsent zu machen und 2. Räume/Orte/Schauplätze des Nachvollziehens, des vergegenwärtigenden Diskurses und des Gedenkens zu eröffnen. Ob dies dann eine dauerhafte oder spekulativ-temporäre Architektur wird, ist Gegenstand des Entwurfsprozesses.
Coaching by: Prof. Matthias Karch & Lara Roth
Examiner: Prof. Matthias Karch
Co-examiner: Prof. Folke Köbberling
Student work by: Irem Akcam, Esra Ertual, Felix Hauptmann, Martin Hsu, Regina Schmidt, Marvin Wagner