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Kurzzeitentwurf | Virtual Reality Workshop im interaktiven 360° Elbedome des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisie-rung IFF, Magdeburg
Das 360° Projektionssystem „Elbedome“ ist eine professionelle Mixed-Reality-Arbeitsumgebung zur großflächigen Darstellung echtzeitlicher und interaktiver Bewegtbilder. Mithilfe von 25 Videoprojektoren werden stereoskopische 3-D-Bilder auf eine betretbare 450 qm messende Halbschale projiziert. Die ohne VR-Brille erlebbaren virtuellen Realitäten reagieren in Echtzeit auf die Bewegungen der anwesenden Besucher:innen.
Die Studierenden haben die faszinierenden technischen und gestalterischen Möglichkeiten des Elbedomes anhand eigener Projektideen experimentell erforscht. Dabei galt es insbesondere die Potenziale der dynamischen Koppelung von Körperbewegung und Visualität entwerferisch auszuloten. Unter dem Titel „Dark Tourism“ untersuchen die Workshopteilnehmer:innen unser sich in Zeiten von Klimawandel und fortschreitender Umweltzerstörung änderndes Bild von Land(wirt)schaft. Das Thema referiert auf historische Panoramen des 18. und 19. Jahrhunderts, die technisch und konzeptionell als Vorläufer des Elbedoms gelten können. Auch damals wurden in den Rotunden häufig Landschaftsbilder gezeigt, in denen sich neue Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster des Naturraums widerspiegelten.
Vor diesem thematischen Hintergrund haben die Studierenden drei Projektideen entwickelt:
Wasserhaltung, Robert Engel / Marie-Jeannine Hieke
In der Arbeit befassen sich die Autor:innen mit dem (täglichen) Verbrauch der Ressource Wasser und dem regional zu verzeichnenden Wassermangel bzw. temporär und örtlich entstehenden „Wasserüberschuss“. Die zentrale Idee der Arbeit besteht darin die typischen quantitativen Informationen über Wasserverbräuche, wie „Liter pro Person und Monat“, im Elbedome konkret sicht- und nachvollziehbar zu machen. Das Volumen des Elbedomes mit einem Fassungsvermögen von 804.250 Litern wird hierfür als Referenzgröße genommen. Unterschiedliche Statistiken zu Wasserverbräuchen, Niederschlagsmengen und hiermit zusammenhängenden Größen werden auf das Volumen des Elbedomes bezogen, so dass die Besucher:innen abstrakte Verhältnisse verstehen und im Elbedome, der so zu einer Art betretbarer Datenkammer wird, körperlich erleben können.
Great Pacific garbage Dome, Elena Djaja / Van Anh Nguyen / Laura Sommerfeld
In der Arbeit geht es um die Meeresverschmutzung durch Plastikabfälle. Die Studierenden haben sich insbesondere mit dem sog. Great Pacific Garbage Patch beschäftigt. In ihrer Arbeit finden sich die Elbedomebesucher:innen unter Wasser in Mitten des Ozeans wieder. Innerhalb dieser Szene erscheinende, alltägliche Situationen lösen bei näherer Betrachtung eine zunehmende Verschmutzung des Dome-Inneren aus. In der Arbeit wird bewusst mit den unterschiedlichen Sichtweisen, die zwischen der getrackten, eine 3D-Shutterbrille tragenden Person und den anderen, nur 2D-Bilder sehenden Personen gearbeitet. Gegenstände, die der/die Brillenträger:in als dreidimensionale Objekte im Raum wahrnimmt sind für die nicht räumlich sehenden Besucher:innen zunächst nur als verzerrte, abstrakte Geometrie auf den Domewänden zu sehen – womit die unterschiedlichen Standpunkte und Perspektiven adressiert werden: Unbedarft verwendete Alltagsgegenstände können nach der Entsorgung als Hausmüll andernorts und ausserhalb der eigenen Sichtbarkeit eine völlig andere und problematische Rolle spielen.
Wild Boars in the Corn, Christian Bodenstein / Leon Zimmermann
Die Autoren dieser Arbeit beschäftigen sich mit der industrialisierten Landwirtschaft und ihren gigantischen Monokulturen. Konkret nehmen sie Maisfelder in den Blick, die nicht selten als Lebensraum von Wildschweinfamilien okkupiert werden. Die endlosen Flächen sind für die Tiere nicht nur unerschöpfliche Nahrungsquelle, sondern bilden auch einen perfekten Lebensraum zur sicheren Aufzucht ihrer Jungen. Aus Sicht der Landwirte entstehen hierbei jedoch nicht unbeträchtliche Schäden. Die Arbeit nimmt die Besucher:innen des Elbedomes mitten hinein in ein riesiges Maisfeld und zeigt die eigentlich verborgene Welt der hier lebenden Wildschweine. Die vollkommen divergierende Benutzung des Ortes als technisierte, landwirtschaftliche Fläche einerseits und als Lebensraum für Tiere andererseits, spiegelt sich im technischen Setting der Arbeit wieder: die projizierten Bilder des Elbedomes sind zweigeteilt: Der/die getrackte 3D-Brillenträger:in sieht vor sich eine andere Szene, als sie in seinem Rücken und für ihn unsichtbar erscheint. Mit dieser dynamischen Unterteilung des Domes in zwei Perspektiven wird der Nutzungskonflikt für alle weiteren anwesenden Personen kenntlich und die normalerweise im Verborgenen stattfindenden Aktivitäten der Tiere in Mitten des hohen Maisfeldes sichtbar gemacht.
Idee, Konzeption, Leitung: Philipp Reinfeld
Studentische Mitarbeit: Christian Bodenstein
In Kooperation mit: Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, Magdeburg
Unser besonderer Dank gilt Steffen Masik und Andreas Pape vom Elbedome für die großartige Unterstützung der Projektarbeit und die Möglichkeit im Elbedome arbeiten zu können.
Fotos: Max Justus Hoven
Stills aus 360°-Videos: Philipp Reinfeld